Bundestagsrede zum Sondervermögen Bildung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!  

Der IQB-Bildungstrend hat wieder gezeigt: Immer mehr Kinder im Grundschulalter erreichen die Mindeststandards in Deutsch und Mathe nicht. Das betrifft vor allem Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, aber vor allem jene aus finanziell schwachen Familien. Dieser Trend verstärkt sich seit vielen Jahren; Corona hat die Situation noch mal verschlimmert.  

Das gilt nicht nur im klassischen Bildungswesen, in der Schule. Auch außerhalb der Schule hat die Pandemie bei Kindern und Jugendlichen Spuren hinterlassen. Beispielsweise leiden sie jetzt häufiger an Depressionen, auch Essstörungen haben zugenommen. All das zeigt: Jetzt ist die Zeit, um gegenzusteuern: gesellschaftspolitisch, bildungspolitisch und, ja, auch haushaltspolitisch.  

Als Ampelkoalition sind wir angetreten, um allen Menschen beste Bildungschancen zu bieten und damit Teilhabe, Aufstieg und ein selbstbestimmtes Leben für alle sicherzustellen. Im letzten Jahr haben wir schon viel erreicht. Mit dem KiTa-Qualitätsgesetz geben wir 4 Milliarden Euro für Sprachförderung, für die Qualifizierung von Fachkräften und damit für die Startchancen unserer Kinder aus.  Deutlich mehr junge Menschen bekommen jetzt deutlich mehr Geld. Damit fördern wir vor allem junge Menschen aus finanziell schwachen Familien.  

Wir machen weiter: Die große BAföG-Strukturreform kommt noch, auch die Reform des Aufstiegs-BAföG kommt. Der Pakt für berufliche Schulen wird kommen, der Digitalpakt 2.0 und das Startchancen-Programm werden kommen. Wer mir in den letzten Monaten zugehört hat, der weiß: Ich bin der festen Überzeugung, dass es Bildung nicht nur in der Schule gibt. Bildung gibt es an so vielen Orten; die Grundlagen für eine gute Bildung werden in der Familie gelegt. Deshalb ist die Kindergrundsicherung das zentrale Projekt für soziale Gerechtigkeit, für Bildungsgerechtigkeit und für Chancengerechtigkeit in unserer Gesellschaft.  

Wir als Ampel stehen ganz klar dafür: Es darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, welche Lebenschancen ein Kind bekommt. Wir kämpfen deshalb gemeinsam für gute Startchancen, und wir kämpfen gemeinsam für Bildungsgerechtigkeit in diesem Land. All das gibt es nicht zum Nulltarif. Deswegen bin ich froh, dass wir heute grundsätzlich über Bildungsfinanzierung sprechen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ich wundere mich dann doch ein bisschen über Ihren Antrag. Bildung – das ist Familienbildung, das sind freie Träger, Sportvereine, die Musikschule und, ja, natürlich Kita, Schule und Ganztagsbetreuung. Da liegen eine Menge Herausforderungen vor uns – das habe ich eben schon gesagt –: die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen, die schlechten Ergebnisse bei PISA, beim Bildungstrend, aber auch überlastete Eltern, ausgebrannte Fachkräfte, zu wenige Fachkräfte.  

Und was machen Sie angesichts all dessen? Sie fordern ein Sondervermögen; Sie nennen es „Sondervermögen für Bildung“. Aber in Wahrheit fordern Sie ein Sondervermögen ausschließlich für den Schulbau – und das angesichts all der Herausforderungen, vor denen wir stehen. Ja, gute Schule braucht auch gute Gebäude. Aber bei allem, was gerade vor uns liegt, brauchen wir noch viel, viel mehr. Dass Sie sich ausgerechnet den Schulbau, der nun dezidiert in der Zuständigkeit der Länder liegt, herauspicken, greift wirklich zu kurz. 

Gerade nach den Erfahrungen der Pandemie braucht es einfach viel mehr. Es braucht ein grundsätzliches Umdenken im Bildungssystem, mehr Zeit für individuelle Förderung der Jugendlichen. Es braucht mehr psychologische Angebote, mehr Stellen für Schulsozialarbeit, mehr Mittel für die Frühen Hilfen, für die Kindertagesbetreuung sowie für die Jugend- und die Familienhilfe. Wir als Koalition nehmen alle Herausforderungen in den Blick, vor denen das Bildungssystem steht, vor denen die Fachkräfte stehen, vor denen die Familien in unserem Land stehen, und vor allem die, vor denen die Kinder und Jugendlichen stehen.  

Mit dem Startchancen-Programm gehen wir eben nicht nur an die Schulinfrastruktur heran, sondern wir stellen auch zusätzliche Mittel für Schulsozialarbeit und für frei verfügbare Chancenbudgets zur Verfügung. Das große Projekt für mehr Chancengerechtigkeit in der Wahlperiode – ich habe es schon gesagt – ist die Kindergrundsicherung. All das, was für die meisten von uns in der Kindheit selbstverständlich war – im Sommer der Besuch im Freibad, vielleicht noch ein Eis oder eine Portion Pommes dazu, oder auch das Geschenk für den Kindergeburtstag oder ein passendes Paar Winterschuhe, das nicht schon von zwei älteren Geschwistern getragen wurde –, all das, was Kinder zum Leben brauchen, können sich viele Familien in diesem Land nicht leisten. Und das ist eine Schande für unser Land! Wir alle wissen ganz genau: Ohne ordentliches Frühstück im Bauch lernt es sich schlecht. Deshalb ist die Kindergrundsicherung der zentrale Baustein für Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit.  

Mit der Kindergrundsicherung geben wir Kindern ihre Kindheit zurück; wir sichern Teilhabe, und wir sichern Bildungschancen. Deshalb müssen wir sie auch ordentlich ausfinanzieren. Liebe Linke, „Sondervermögen für Bildung“: Das klingt total toll; aber das greift einfach zu kurz. Es braucht eine seriöse, dauerhafte und ausreichende Finanzierung der Bildung. Jeder Cent, den wir in Bildung, in Kinder und Jugendliche investieren, zahlt sich am Ende mehrfach aus.  

In diesem Sinne: Lieber Christian Lindner – Herr Toncar, Sie geben das weiter –, bisher haben Sie immer noch Geld gefunden, wenn Ihnen ein Projekt wichtig war. Was kann wichtiger sein als Bildung? Was kann wichtiger sein als Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche in diesem Land? Weil das eine rhetorische Frage ist, kann ich sagen: Ich habe großes Zutrauen in die Kompetenz des Finanzministers. Ich gehe fest davon aus, dass er die wichtigen Projekte für Chancengerechtigkeit und für Bildung im Koalitionsvertrag ausfinanzieren wird. Vielen Dank.