Bundestagsrede zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf

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Meine Rede zum Nachlesen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,  

es hat ja schon etwas Ironisches, dass wir abends um diese Uhrzeit über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen. Aber ehrlicherweise ist es auch folgerichtig, weil ich weiß, dass da draußen gerade jede Menge Eltern noch am Schreibtisch sitzen, um wenigstens die allerwichtigsten Mails noch abzuarbeiten, nachdem sie malwieder mit ihrem kranken Kind den ganzen Tag zuhause verbracht haben, Sorgearbeitet geleistet haben, den ganzen Tag. All das: unentgeltlich. 

Was wäre eigentlich, wenn nicht ständig eine Person kochen, putzen, Kinder großziehen würde? Unentgeltlich Sorgearbeit leisten würde? Laut der Schätzung des statistischen Bundesamtes beträgt der Wert der unbezahlten Sorgearbeit in Deutschland 30% des Bruttoinlandprodukts. 

Es ärgert mich, dass gerade vor diesem Hintergrund die Unterstützung von Familien von vielen immer noch nicht als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen wird. Und da nicken dann immer alle, und dann fragen Sie aber doch mal junge Väter, wie der Arbeitgeber reagiert, die Kolleg*innen oder teilweise sogar die eigenen Eltern, wenn junge Väter sagen: “ich möchte Elternzeit nehmen” und womöglich sogar mehr, als die üblichen „Vätermonate“.  

Und deshalb ist es nach wie vor so, dass gerade für junge Frauen die Familiengründung immer noch das größte Risiko für Altersarmut ist. Erwerbsbiografie und Gehalt knicken für Frauen immer nach unten ab, sobald sie Kinder bekommen. Denn es sind, leider, immer noch vor allem die Frauen, die ab der Geburt des ersten Kindes zuhause bleiben, danach häufiger in Teilzeit gehen. Und die Folge ist bekannt: Frauen landen häufiger in Altersarmut. 

Junge Paare sind da schon so viel weiter: sie wollen sich die Sorgearbeit partnerschaftlich aufteilen, sie wollen nicht, dass Sorgearbeit zur Falle für die Frauen wird, und deshalb setzten wir als Ampel beim Knackpunkt Familiengründung an.  

Wir setzen dazu heute in einem ersten Schritt die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie um, und erreichen damit wichtige Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege.  

Besonders freue ich mich, dass Eltern sich jetzt auch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden können. Und wie wichtig das ist, zeigt eine Befragung der Antidiskriminierungsstelle:  

40 Prozent der Eltern geben an, aufgrund der Tatsache, dass sie beispielweise mal früher nachhause gehen müssen für die Kinderbetreuung, diskriminiert zu werden. Auch das zeigt wieder: Vereinbarkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. 

Und dass Sie als CDU das jetzt nicht unterstützen wollen, dass irritiert mich ehrlicherweise. 

Wie kann man denn ernsthaft dagegen sein, diskriminierte Eltern zu unterstützen? 

Aber wir, wir machen hier nicht Halt. Wir werden im nächsten Schritt die zweiwöchige Freistellung nach der Geburt für den zweiten Elternteil im Mutterschutzgesetz verankern. Und es ist wichtig, dass Partner: innen direkt nach der Geburt zwei Wochen bezahlt von ihrer Arbeit freigestellt werden, damit sie in den ersten Tagen, die so wichtig sind, zum einen die Mütter voll unterstützen können, aber eben auch gleichzeitig eine enge Beziehung zum Kind aufbauen können.  

Uns ist wichtig, die vereinbarten Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag für mehr Partnerschaftlichkeit, Geschlechtergerechtigkeit und damit für eine progressive Gesellschaft umzusetzen.  

Aus diesem Grund möchten wir heute für die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf werben und ich danke ausdrücklich dem Ministerium für dieses Gesetz und für die Ankündigung der zweiwöchigen Partnerfreistellung für mehr Partnerschaftlichkeit in der Familienarbeit.  

Klar bleibt aber auch: das sind nur Schritte auf einem insgesamt sehr weiten Weg hin zu echter Vereinbarkeit, und diesen Weg kann das Familienministerium nicht allein gehen. Echte Vereinbarkeit muss von der gesamten Gesellschaft getragen werden; Arbeitgeber*innen, Wirtschaftsverbände. Wir alle müssen dafür an einem Strang ziehen.  

Ich frage Sie meine Damen und Herren: Was wäre in dieser Gesellschaft möglich, wenn das endlich wirklich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen würden? 

Herzlichen Dank!